Die Geschichten aus 1001 Nacht

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Die Geschichten aus 1001 Nacht - Eingang


 

Bei dem Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen, Friede und Heil über unsern Herrn Mohammed, den Obersten der Gesandten Gottes, auch über seine Familie und Gefährten insgesamt; Friede und Heil immer fortdauernd bis zum Tage des Gerichts. Amen, o Herr der Welten! Das Leben der Früheren ist eine Lehre für die Späteren, dazu dass der Mensch die Lehren, welche anderen zuteil geworden sind, schaue und sich daran belehre, und die Geschichte der älteren Völker lese und sich daraus unterrichte. Gelobt sei Gott, der die Begebenheiten der Früheren als Unterricht für Spätere aufgestellt hat. Zu dieser Art von Belehrung gehören nun auch die Erzählungen: »Tausend und eine Nacht« genannt. Es wird nämlich von dem, was bei früheren Völkern geschehen, berichtet (Gott weiß das Verborgene; er ist allweise und barmherzig und edel!):

Es regierte einst in den ältesten Zeiten und verflossenen Äonen ein König von den Sassaniden auf den Inseln Indiens und Chinas, der viele Truppen und Verbündete, Diener und zahlreiches Gefolge besaß. Auch hatte er zwei wackere, tapfere Söhne, von denen jedoch der ältere noch tapferer war, als der jüngere; er herrschte über viele Länder und war so gerecht gegen seine Untertanen, dass ihn alle sehr liebten. Sein Name war Scheherban, sein jüngerer Bruder hieß Schahseman, und war König von Samarkand in Persien. Beide hatten ihre Heimat nicht verlassen und jeder regierte höchst glücklich 20 Jahre lang in seinem Reiche. Da sehnte sich der ältere König nach seinem jüngeren Bruder, und befahl seinem Vezier, zu jenem hinzureisen und ihn zu ihm zu bringen. Der jüngere Bruder gehorchte alsbald und machte Anstalten zur Reise, und ließ Zelte, Kamele, Maultiere, Diener und Gefolge herbeikommen. Die Regierung war indes dem Vezier übertragen und der König reiste ab nach dem Lande seines Bruders. Um Mitternacht erinnerte er sich, etwas im Schlosse vergessen zu haben; als er dahin zurückkam, fand er seine Frau in vertrautem Umgang mit einem schwarzen Sklaven; bei diesem Anblick ward die ganze Welt schwarz in seinen Augen; er dachte, wenn dies schon vorfällt, ehe ich kaum die Stadt verlassen, was wird diese Verruchte tun, wenn ich einmal weit entfernt bin? Er zog sein Schwert und erstach beide; dann ließ er sogleich wieder aufbrechen und reiste immer fort, bis er in die Nähe der Hauptstadt seines Bruders kam. Dort ließ er seinem Bruder durch Boten seine Ankunft melden. Dieser erschien sehr erfreut, um ihn zu begrüßen, ließ er die Stadt beleuchten, setzte sich zu ihm und unterhielt sich aufs angenehmste mit ihm. Aber der König Schahseman dachte an die Begebenheit mit seiner Gemahlin, und dieses kränkte ihn so tief, dass er bleich wurde und sein Körper an Kraft abnahm. Als sein Bruder ihn in diesem Zustande sah, dachte er, dies ist gewiss, weil er von seinem Lande und Königreiche entfernt lebt; er ließ ihn deshalb in Ruhe und fragte nach nichts. Doch eines Tages sagte er zu ihm: »O mein Bruder! Ich sehe, dein Körper wird immer schwächer und deine Farbe bleicher.« Jener antwortete ihm: »Ich habe eine innere Krankheit«; aber er sagte ihm nicht, was er von seiner Frau gesehen. Hierauf versetzte der ältere: »Ich möchte, dass du mit mir auf die Jagd gingest, vielleicht wird dich dies zerstreuen;« da jener sich aber weigerte, ging er allein fort. Nun waren im Schlosse des jüngeren Königs, d. h. das der jüngere Bruder bewohnte, Fenster, die auf den Garten seines Bruders gingen. Hier sah er auf einmal die Türe des Schlosses sich öffnen, und zwanzig Sklavinnen und zwanzig Sklaven herauskommen; in ihrer Mitte ging die Frau seines Bruders, ausgezeichnet schön und von bewundernswertem Wuchse. Als sie, d. h. die Sklavinnen, zu einem Teiche gelangt waren, entkleideten sie sich und setzten sich zu den Sklaven. Da rief die Königin: »Masud!« und es kam ein schwarzer Sklave und umarmte sie und sie umarmte ihn. Die übrigen Sklaven taten dasselbe mit den Sklavinnen, und so brachten sie den ganzen Tag zu mit Küssen und Umarmungen. Als der Bruder des Königs dies sah, dachte er bei sich: bei Gott! mein Unglück ist geringer als dieses; dies ist mehr als mir geschehen! Kummer und Gram fühlte er nun plötzlich weichen und er konnte wieder essen und trinken.

Als hierauf sein Bruder von der Reise zurückkam und sie einander begrüßten, da sah der König Scheherban, dass sein Bruder Schahseman sein voriges Aussehen erlangt hatte und mit Appetit aß, während er früher nur wenig gegessen, und er sagte zu ihm: »O mein Bruder, ich sah dich ganz gelb und nun siehst du wieder gut aus, sage mir doch, wie dieses zugeht?« Worauf ihm jener antwortete: »Ich will dir zuerst sagen, warum ich übel aussah, und dann, wie ich wieder meine vorige Farbe bekam. Wisse, mein Bruder, als du deinen Vezier schicktest, um mich zu dir zu holen, machte ich mich reisefertig und ging zur Stadt hinaus; da erinnerte ich mich, dass ich etwas im Schlosse vergessen; ich kehrte allein zurück und fand einen schwarzen Sklaven bei meiner Frau; ich erschlug sie beide und kam zu dir her und dachte immer an diesen Vorfall. Dies ist die Ursache, warum sich meine Farbe verändert und ich so schwach geworden. Was aber das wiedererlangte gute Aussehen betrifft, so erlasse mir, es zu erwähnen!« Als sein Bruder dies hörte, sprach er: »Ich beschwöre dich bei Gott, sage mir alles.« Da erzählte jener ihm alles, was er gesehen. Und als hierauf Scheherban seinen Bruder Schahseman sagte: »Ich will mich mit meinen eigenen Augen überzeugen«, entgegnete ihm dieser: »Sprich, du wollest auf die Jagd gehen, und verbirg dich bei mir, dann wirst du sogleich zur Überzeugung gelangen.«

Der König ließ bekannt machen, er wolle eine Reise machen; es zogen Truppen mit Zelten zur Stadt hinaus. Der König begab sich auch ins Lager und sagte seinen Pagen: »Lasset niemand zu mir hereinkommen!« Er verkleidete sich dann und ging heimlich in seines Bruders Schloss, setzte sich dort ans Fenster, das den Garten beherrschte, und nach einer Weile kamen die Sklavinnen mit ihrer Gebieterin und den Sklaven in den Garten, und taten wieder alles, so wie es der Bruder erzählt hatte, so lange bis das Nachmittagsgebet ausgerufen wurde. Als Scheherban dies gesehen, verließ ihn die Besinnung, und er sprach zu seinem Bruder Schahseman: »Komm, wir wollen unseres Weges gehen; wir wollen nichts mit der Regierung zu schaffen haben, bis wir jemand finden, dem es ebenso geht,

 

wie uns; ist dieses nicht der Fall, so sei uns Tod besser als Leben.« Sie gingen hierauf zu einer verborgenen Türe des Schlosses hinaus und reisten Tag und Nacht, bis sie in eine liebliche Ebene kamen, wo neben dem Meere eine süße Wasserquelle sprudelte. Sie tranken von dieser Quelle und ruhten aus; nach einer Weile fing das Meer an zu toben, es stieg eine schwarze Säule zum Himmel empor, die ihre Richtung gegen die Ebene nahm. Als sie dies sahen, fürchteten sie sich sehr und stiegen auf einen Baum, erwartend, was es wohl geben möchte?

Da kam ein Geist, von denen unseres Herrn Salomo (Friede sei mit ihm!), von langer Statur, großem Kopfe und breiter Brust; er hatte einen gläsernen Kasten auf dem Kopfe, an dem vier Schlösser von Stahl waren. Er setzte sich unter den Baum, auf welchen die Brüder gestiegen, legte den Kasten ab, nahm vier Schlüssel aus dem Schoß, öffnete die Schlösser und zog ein Mädchen heraus, vollkommen gewachsen, mit gewölbtem Busen, süßem Munde und mit einem Gesichte wie der Vollmond. Der Geist sah sie liebevoll an und sprach: »O Herrin aller freien Frauen! o du, die ich entführt, ehe sie jemand außer mir gekannt! o Geliebte meines Herzens! lass mich ein wenig in deinem Schoße schlafen.« Hierauf legte er den Kopf auf ihre Knie und schlief und schnarchte wie der Donner. Als das Mädchen nun aber den Kopf in die Höhe hob und Scheherban und seinen Bruder erblickte, legte sie langsam den Kopf des Geistes auf den Boden, und bat sie, sie möchten doch herunter kommen. Jene antworteten: »Bei deinem Leben, o Herrin! entschuldige uns, wenn wir nicht kommen!« Da erwiderte sie: »Wenn ihr nicht kommt, so rufe ich den Geist, meinen Gemahl, dass er euch auffresse.« Sie winkte ihnen dann noch einmal freundlich zu, und sie stiegen zu ihr herunter. Jetzt verlangte sie, dass sie ihr beide zu Willen sein sollten. Sie antworteten aber: »Bei Gott, Herrin! verschone uns damit, wir fürchten uns zu sehr vor diesem Geist.« Sie sprach jedoch: »Ihr müsst mir gewähren, oder ich schwöre bei dem, der die Himmel gewölbt hat, wenn ihr meinen Wunsch nicht erfüllt, so wecke ich den Geist, dass er euch töte. Ihr dürft mir nicht widerstehen!« Da taten beide Brüder, was sie verlangte. Jetzt zog sie einen Beutel aus ihren Gewändern hervor und zählte 98 Siegelringe und sprach: »Wisst ihr wohl, was dies für Ringe sind? Sie kommen von 98 Männern, die sich mir gefällig zeigten. Gebt mir also auch die eurigen, so sind es hundert Männer, die mir dazu verhalfen, diesen hässlichen, abscheulichen Geist zu hintergehen, der mich in diesen Kasten eingesperrt und in diesem tobenden Meere wohnen lässt und so strenge bewacht, damit ich tugendhaft bleibe und niemanden außer ihm zuteil werde. Dieses Scheusal weiß nicht, dass die Bestimmung sich nicht ändern lässt und dass das Wollen der Frauen sich von niemanden abhängig macht.«

Als die beiden Könige dies hörten, wunderten sie sich sehr und sagten: »Gott! Gott! es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer beim erhabenen Gott! Wir wollen deshalb bei Gott gegen die List der Frauen Hilfe suchen, denn sie ist wahrlich zu groß.« Hierauf sprach sie zu ihnen: »Geht nun eures Weges!« Und als sie hierauf weggegangen waren, sprach Scheherban zu seinem Bruder: »Mein Bruder! sieh, dies Abenteuer ist noch bedeutungsvoller als das unsrige. Hier ist ein Geist, der sein Mädchen in der Hochzeitsnacht raubte und es in einen gläsernen Kasten gesperrt hat, der mit vier Schlössern geschlossen ist. Er hat ihr das Meer zur Wohnung gegeben, weil er glaubte, sie so der Bestimmung und dem Schicksal zu entreißen, sie aber hat doch, wie wir gesehen, hundertfache Untreue geübt. Lass uns also jetzt getrost in unser Königreich zurückkehren, und den Beschluss fassen, nie mehr zu heiraten: ich will dir schon sagen, wie ich es machen will.« Sie kehrten also wieder um und gingen bis es Nacht ward; und am dritten Tage kamen sie wieder in ihre Heimat, traten unter die Zelte, setzten sich auf den königlichen Thron, und es kamen die Intendanten, Adjutanten, Fürsten, Großen und andre Leute. Sogleich wurde befohlen, in die Stadt zu ziehen. Der König begab sich in das Schloss, ließ den Vezier kommen und befahl ihm, sogleich seine Gemahlin zu töten. Der Vezier brachte sie um. Alsdann ging der König zu den Sklavinnen, zog sein Schwert, erschlug sie alle, ließ dann andere kommen und schwur: dass er jede Nacht eine andere sich erwählen wolle, die er dann des Morgens hinrichten lassen werde, denn es gäbe auf der ganzen Erde kein tugendhaftes Weib. Schahseman machte sich auch sogleich auf, um abzureisen, nachdem ihm sein Bruder das Nötige zur Reise gegeben hatte, und so kehrte er in sein Land zurück. Sultan Scheherban befahl indessen seinem Vezier, ihm die Sklavin für die Nacht zu bringen. Dieser führte ihm eine der Fürstentöchter zu. Der König verfügte sich zu ihr, aber am Morgen befahl er dem Vezier, ihr den Kopf abzuschneiden. Dieser musste den Befehlen des Sultans gehorchen und sie umbringen. Dann schaffte er ihm eine andere Tochter der Großen des Landes, die auch wieder am Morgen umgebracht wurde. Und so ging es lange fort; jede Nacht erhielt er ein Mädchen und des Morgens ließ er sie dann hinrichten, bis es zuletzt kein Mädchen mehr gab und die Mütter und Väter weinten und seufzten und dem König den Tod wünschten und dem Schöpfer der Himmel klagten und den Erhörer der Gebete zu Hilfe riefen. Nun hatte der oberste Vezier, dem er stets den Befehl gegeben, die Frauen umzubringen, zwei Töchter. Die ältere hieß Schehersad und die jüngere Dinarsad. Jene hatte viele Bücher gelesen, unter anderen auch philosophische und medizinische Werke; sie hatte Gedichte auswendig gelernt und kannte Geschichten, Volkstraditionen und Reden der Weisen und der Könige; sie war sehr gelehrt und gebildet. Einst sprach nun Schehersad zu ihrem Vater: »Mein Vater! ich will dir mein Geheimnis anvertrauen; ich wünsche, dass du mich mit dem Sultan Scheherban verheiratest; denn ich will entweder die Welt von diesen Mordtaten befreien oder selbst sterben wie die andern.« Als ihr Vater, der Vezier, dies hörte, sagte er: »Du Törin, weißt du nicht, dass der König geschworen hat, jeden Morgen sein Mädchen töten zu lassen? Wenn ich dich also zu ihm führe, so wird er mit dir dasselbe tun.« Sie antwortete: »Ich will zu ihm geführt werden, mag er mich auch umbringen.« Da erwiderte der Vater: »Was fällt dir ein, dass du dich selbst so in Gefahr bringen willst?« Sie antwortete: »Gleichviel, aber führe mich nur zu ihm!« Der Vezier sagte hierauf zornig: »Wer nicht mit Klugheit zu Werke geht, stürzt sich ins Verderben, und wer nicht die Folgen einer Sache berechnet, hat keinen Freund in der Welt; wie man sprichwörtlich sagt: ich saß in Wohlbehagen, da ließ mir mein Übermut keine Ruhe. Ich fürchte sehr, es möchte dir gehen, wie dem Ochsen und dem Esel mit dem Bauer.« Da sagte sie: »Was ist das für eine Geschichte?« und der Vezier erzählte:

»Wisse! es war einmal ein reicher Kaufmann, der viele Güter, Diener, Kamele und anderes Vieh besaß; er hatte Frau und Kinder, wohnte auf dem Lande und beschäftigte sich mit Ackerbau; er kannte die Sprache aller Tiere und es war über ihn verhängt, dass, sobald er dies Geheimnis einem mitteilen würde, er sogleich sterben müsse. Obschon er nun die Sprache der Tiere und Vögel verstand, so durfte er doch niemanden etwas davon erzählen, aus Furcht vor dem Tode. Er hatte in seinem Hause einen Ochsen und einen Esel an einer Krippe nahe aneinander festgebunden. Eines Tages setzte sich der Kaufmann in ihre Nähe mit seiner Frau und seinen Kindern, die vor ihm spielten. Da hörte er, wie der Stier dem Esel sagte: »Ich wünsche dir Glück zu deiner Ruhe, zu der Bedienung, die du hast, indem man unter dir kehrt und spritzt, und dir gesiebte Gerste und klares Wasser bringt, während man mich Armen von Mitternacht an fortführt und mich ackern lässt; man legt auf meine Hals etwas, das man Joch und Pflug nennt, und so arbeite ich den ganzen Tag, durchfurche die Erde, werde unausstehlich müde, werde noch von den Bauern geschlagen, meine Seiten werden zerschunden, an meinem Halse wird die Haut abgerieben, man lässt mich von einer Nacht zur anderen arbeiten, dann bringt man mich in den Rindstall, wirft mir Bohnen mit Unrat vermischt und Spreu vor; ich liege im Kot, wie in einer Pfütze, die ganze Nacht, während du dich in einem gekehrten, bespritzten und abgeputzten Stalle befindest; deine Krippe ist rein und mit Stroh gefüllt; du ruhst immer aus; nur selten kommt unserm Kaufmann ein Geschäft vor, zu dem er auf dir reitet, und auch dann kehrt er bald wieder nach Hause zurück. Du ruhest, während ich mich abmühe, du schläfst, während ich wache, ich hungre, wenn du satt bist.« Als der Stier ausgeredet hatte, wendete sich der Esel zu ihm und sagte: »O Dummkopf! wer dich den Vater der Verblüfften genannt, hat nicht gelogen; du hast weder Verstand noch Schlauheit, du weiß dir nicht zu raten und bringst dich allmählich durch deinen inneren Groll ums Leben; hast du noch nie das Sprichwort gehört: wer keine Leitung annimmt, verfehlt den rechten Weg? höre mich drum, Stier! Wenn der Landmann dich anbindet, so stampfe mit den Füßen, stoße mit den Hörnern, und schreie immer fort, bis man dir Bohnen hinwirft. Dann friss nichts davon, rieche nur so daran herum und schiebe sie zurück und koste sie nicht, begnüge dich mit dem Stroh und der Spreu. Tust du dies, so wirst du sehen, dass es dir gut bekommt und deiner Ruhe zuträglich wird.« Als der Stier dies hörte und sah, dass der Esel ihm diesen Rat gegeben, dankte er ihm in seiner Sprache, wünschte ihm viel Gutes zum Lohne, hielt seinen Rat für gut, und sprach zu ihm: »Mögest du vor allem Übel bewahrt sein, o Vater der Gescheiten!« Dies alles, meine Tochter, geschah, während der Kaufmann es hörte und verstand.

Als nun am folgenden Tag der Bauer kam, um den Ochsen herauszuführen, und ihn an den Pflug zu spannen, damit er arbeite, da fand er den Ochsen nachlässig in seiner Arbeit, denn er befolgte den Rat des Esels; als der Bauer aber anfing ihn zu schlagen, fiel der Ochs aus List auf den Boden, so wie es ihn der Esel gelehrt, bis es Nacht geworden war. Da ging der Bauer mit ihm nach Hause und band ihn an die Krippe; aber der Ochs fing an mit den Füßen zu stampfen und laut zu brüllen und suchte sich von der Krippe loszureißen. Der Bauer wunderte sich darüber, und brachte ihm Bohnen und Futter; der Ochse roch daran herum, ging zurück, legte sich weit davon nieder, und kaute an dem Stroh und der Spreu bis zum Morgen. Als der Bauer kam und die Krippe voll mit Bohnen und Stroh fand, und nichts daran fehlte, und den Ochsen mit aufgeblasenem Leibe, ausgestreckten Füßen und fast ohne Atem erblickte, ward er sehr betrübt und sprach: »Bei Gott, der Ochs muss heute krank sein, darum konnte er auch gestern nicht arbeiten.« Er ging nun zum Kaufmann und sagte ihm: »Herr! der Ochs ist krank, er hat diese Nacht nichts von seinem Futter gefressen.« Da aber der Kaufmann die Sache wohl wusste, so sprach er zum Bauer: »Geh, nimm den listigen Esel, spanne ihn an den Pflug, und zwinge ihn zur Arbeit, bis er des Ochsen Stelle versieht.« Der Bauer spannte den Esel ein, führte ihn aufs Feld, schlug ihn und quälte ihn, bis er pflügte; er schlug in so lange, bis er fast die Rippen zerbrochen und die Haut vom Halse abgeschunden hatte; als er ihn des Abends wieder nach Hause führte, konnte der Esel keinen Fuß mehr rühren und trug seine Ohren niederhängend. Der Ochs hingegen hatte den ganzen Tag ausgeruht, die ganze Krippe geleert, und für den Esel gebetet und seinen Rat gelobt. Als abends der Esel zu ihm kam, stand er vor ihm auf und sprach: »Guten Abend, o Vater der Gescheiten: Du hast mir bei Gott eine unbeschreibliche Wohltat erwiesen, mögest du stets geleitet und zum Ziele geführt werden; Gott belohne dich dafür statt meiner, o Vater der Aufgeweckten!«

Aber vor Zorn antwortete ihm der Esel nichts; denn er dachte: dies alles ist mir wegen meines unseligen Rats widerfahren; es war mir ganz wohl, da ließ mir mein Übermut keine Ruhe, bringe ich ihn nicht durch irgend eine List in seinen früheren Stand zurück, so gehe ich dabei zugrunde. Er schlich hierauf müde zur Krippe. Der Ochs aber streckte sich und kaute wieder und wünschte ihm immer viel Gutes.

»Ebenso, meine Tochter, wirst du verderben durch deinen schlimmen Entschluss; bleibe also ruhig und stürze dich nicht selbst in das Verderben; ich rate dir aus Mitleid für dich.« Sie aber erwiderte: »Ich will zum Sultan gehen, um ihn zu heiraten.« Der Vater sagte noch einmal: »Tu dies nicht!« aber sie erwiderte: »Es muss geschehen.« Da der Vater sprach: »Wenn du nicht ruhig bleibst, so werde ich mit dir verfahren, wie der Kaufmann mit seiner Frau.« »Was tat der Kaufmann mit ihr?« fragte die Tochter und der Vezier antwortete: »Wisse, nachdem dies zwischen dem Ochsen und dem Esel vorgefallen, ging der Kaufmann einmal in der Nacht beim Mondschein in den Stall; da hörte er, wie der Esel dem Ochsen sagte: »O Vater der Ochsen! was wirst du wohl morgen tun, wenn dir der Bauer das Futter bringt?« Jener antwortete: »Was anders, als du mich gelehrt? Das werde ich stets tun, ich werde mich krank stellen, auf den Boden werfen und meinen Leib aufblasen.« Da schüttelte der Esel seinen Kopf und sagte: »Tu dies nicht, o Vater der Ochsen! Weißt du, was ich von unserm Herrn, dem Kaufmann, gehört habe, und was er dem Bauer gesagt?« »Nun, was hat er gesagt?« fragte der Ochs. »Er sagte,« antwortete der Esel, »wenn heute der Ochs nicht aufsteht, und sein Futter nicht frisst, so lass ich ihn gleich beim Metzger schlachten; lass ihm die Haut abziehen, und ich verteile dann sein Fleisch unter die Armen. Folge mir daher, ich fürchte für dich, und einen guten Rat erteilen ist eine Gewissenssache; wenn man dir das Futter bringt, so friss alles rein auf, damit man dich nicht schlachte.« Der Ochs fing an zu schreien und zu blasen, und der Kaufmann machte sich auf und lachte laut über diesen Vorfall. Da fragte ihn seine Frau: »Warum lachst du? spottest du meiner?« Er sagte: »Nein.« »So sage mir, warum du lachest?« »Ich kann dir's nicht sagen, denn ich habe ein Unglück zu befürchten, wenn ich ausplaudre, was die Tiere in ihrer Sprache reden.« Sie fragte hierauf noch einmal: »Wer hindert dich, mir es zu sagen?« »Ich weiß, dass ich sterben muss.« »Bei Gott, du lügst! das ist nur eine Ausrede, und bei dem Herrn des Himmels, wenn du mir's nicht sagst, bleibe ich keinen Augenblick mehr bei dir, du musst es mir sagen.«

»Sie ging dann ins Haus und weinte bis zum anderen Morgen. Der Kaufmann fragte sie: »Was meinst du also? Fürchte Gott! geh in dich! nimm deine Frage zurück und lass mich in Ruhe!« »Ich lasse davon nicht ab, du musst es mir sagen.« »Wie? du bestehst darauf, wenn ich dir gleich sage, dass ich sterben muss?« »Du musst mir's sagen und solltest du auch sterben.« »So will ich vorerst deine Familie und Verwandte rufen.« Er ging nun und holte ihren Vater, ihre Verwandten und noch einige Nachbarn.«

Der Kaufmann sagte ihnen, sein Tod wäre nahe, sie weinten alle, so wie auch die Kinder und der Bauer: es war eine große Trauer um ihn. Jetzt ließ er die Zeugen und Gerichtsleute kommen, gab seiner Frau, was ihr gebührte, machte ein Testament für seine Kinder, schenkte seinen Sklavinnen die Freiheit und nahm von den Seinigen Abschied. Nun weinten sogar die Zeugen; die Kinder liefen zur Frau und sprachen: Lass doch ab von deinem Willen! denn wüsste dein Mann nicht ganz gewiss, dass er sterben muss; wenn er sein Geheimnis offenbart, so würde er alles dies nicht tun;« da sie sich aber nicht zurückbringen ließ, so weinten und trauerten alle.

»Nun aber, meine Tochter Schehersad, waren in diesem Hause fünfzig Hühner und ein Hahn; der Kaufmann saß betrübt über seine Trennung von der Welt, von seiner Familie und seinen Kindern. Während er so nachdachte und schon das Geheimnis entdecken wollte, da hörte er, wie sein Hund in seiner Sprache zum Hahn sagte, der eben die Flügel übereinander schlug und auf ein Huhn sprang, dann sogleich wieder auf ein anderes: »O Hahn! Schämst du dich nicht vor deinem Herrn, dich heute so zu betragen?« »Was gibt's denn heute?« fragte der Hahn; da antwortete der Hund: »Weißt du nicht, dass unser Herr heute in Trauer ist, weil seine Frau durchaus sein Geheimnis wissen will, worauf er sogleich sterben muss? Es handelt sich nämlich darum, dass er ihr die Sprache der Tiere erkläre, weshalb er sehr betrübt ist, und du schlägst mit deinen Flügeln und springst umher mit Freuden, schämst du dich nicht?« Da hörte der Kaufmann, wie der Hahn antwortete: »O der einfältige, närrische Mann! wie doch unser Herr so wenig Verstand hat! Ich habe fünfzig Hühner und stelle sie alle zufrieden, und mein Herr hat nur eine Frau und glaubt noch Verstand zu haben. Weiß er sich nicht mit ihr zu helfen.« Da sagte der Hund: »Aber was sollte er mit ihr beginnen?« Und der Hahn antwortete: »Er sollte einen Eichenstock nehmen, mit ihr in sein Zimmer gehen, die Türe schließen, über sie herfallen und sie solange prügeln, bis er ihr Hände und Füße zerschlagen; sie würde dann bald schreien: »Ich will keine Worte und keine Erklärung.« Er solle sie aber dann so lange schlagen, bis sie von ihrer Verrücktheit ablässt, und er soll nicht aufhören, bis sie ihm in nichts mehr widerspricht. Tut er dies, so hat er Ruhe, bleibt leben und macht der Trauer ein Ende.«

Als der Kaufmann die Rede des Hahnes mit dem Hunde hörte, stand er schnell auf, nahm einen Stock von Eichenholz, führte seine Frau auf sein Zimmer, riegelte die Türe zu, angeblich um ihr die Erklärung zu geben, und fiel dann über ihre Rippen und Schultern mit Schlägen her; er prügelte sie in einem fort; sie schrie um Hilfe und sagte: »Ich will dich nach nichts mehr fragen.« Zuletzt, als er müde war vom Schlagen, öffnete er die Tür, die Frau ging hinaus, den Vorfall bereuend, und durch den guten Rat des Hahns ward die Trauer in Freude verwandelt. Nun, meine Tochter, werde ich mit dir auch so verfahren, wenn du nicht ablässt.« Aber sie antwortete: »Ich werde nie zurücktreten, auch wird diese Geschichte meinen Entschluss nicht ändern, und führst du mich nicht zum Sultan, so werde ich allein zu ihm gehen und gegen dich klagen, dass du einem Mann seines Standes mich verweigerst, und ein Mädchen wie mich deinem Herrn entziehst.« Der Vater fragte wieder: »Es muss also sein?« »Ja«, antwortete sie. Nun, sagt der Erzähler, als er sich lange mit ihr abgemüht und geplagt hatte, ging er zum König Scheherban und wünschte ihm Glück, küsste die Erde vor ihm, und sagte ihm, dass er ihm in der nächsten Nacht seine Tochter bringen werde. Der Sultan fragte ganz erstaunt: »Was ist dies? da ich doch bei dem, der die Himmel gewölbt, bis morgen befehlen werde, sie umzubringen? und tust du es nicht, so werde ich ohne weiteres dich umbringen lassen.« Er antwortete: »O König der Zeit! Sie hat es gewünscht, ich habe ihr alles gesagt, sie wollte nichts hören, sondern diese Nacht bei dir sein.« Der König sprach: »Gut, geh, mache Vorbereitungen zu ihrer Ankunft und bring sie diese Nacht zu mir!« Der Vezier ging, brachte die Botschaft seiner Tochter und sagte: »Gott gebe mir keine Sehnsucht nach dir!« Schehersad freute sich sehr, machte alle ihre Sachen zurecht, ging zu ihrer jüngeren Schwester Dinarsad und sprach zu ihr: »Höre, meine Schwester, was ich dir anempfehle: wenn ich bei dem Sultan bin, werde ich nach dir schicken; wenn du dann kommst und siehst, dass der Sultan sich nicht mehr mit mir beschäftigt, so sage zu mir: O Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns von deinen schönen Geschichten, damit wir die Nacht dabei durchwachen! Dies wird meine und der Welt Rettung von diesem Unheil verursachen und den König von seiner unseligen Gewohnheit abbringen.« Jene sagte zu, und als es Nacht war, begab sich Schehersad zu dem König. Dieser empfing sie in zärtlicher Weise und begann mit ihr zu scherzen, sie aber weinte. Als er sie fragte, warum sie weine, antwortete sie: »O König der Zeit! ich habe eine Schwester, von der ich diese Nacht noch Abschied nehmen möchte.« Der König schickte nach Dinarsad. Diese wartete, bis der Sultan sich an ihrer Schwester ergötzt und etwas geschlafen hatte, dann seufzte sie und sagte: »O meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns von deinen schönen Geschichten, dass wir die Nacht dabei durchwachen, vor Tagesanbruch will ich dir dann Lebewohl sagen, denn ich weiß ja nicht, wie es morgen mit dir enden wird.« Schehersad fragte den Sultan um Erlaubnis, und als er diese erteilte, ward sie hocherfreut und begann:

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Die Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste

Man behauptet, o glückseliger, einsichtsvoller König, es sei einmal ein reicher, wohlhabender Mann gewesen, der viele Güter, Sklaven, Bediente, Weiber und Kinder besaß, und in allen Ländern Waren und Schulden ausstehen hatte. Dieser bestieg einst sein Tier, nachdem er einen Quersack mit Lebensmitteln, aus Zwieback und mekkanischen Datteln bestehend, gefüllt, und reiste nach Gottes Willen viele Tage und Nächte. Gott hatte ihm eine glückliche Reise bestimmt, und er erreichte das erwünschte Land, machte seine Geschäfte dort ab, und trat die Rückreise nach seiner Heimat und zu seiner Familie an. Als er am dritten, vierten Tage auf der Reise war, ward ihm sehr heiß, und als die Hitze immer heftiger ward, sah er einen Garten vor sich, in welchem er Schatten zu finden hoffte. Er stellte sich unter einen Nussbaum, neben welchem eine Wasserquelle rann, setzte sich neben denselben, band sein Tier fest, nahm einige Zwiebacke und Datteln aus dem Quersacke, aß und warf die Dattelkerne rechts und links, bis er satt war, dann stand er auf, wusch sich und betete. Nachdem er dieses vollendet hatte, kam auf einmal ein alter Geist auf ihn zu. Seine Füße waren auf der Erde und sein Kopf in den Wolken; er hatte ein gezogenes Schwert in der Hand, ging auf den Kaufmann los, blieb dann vor ihm stehen und schrie ihm zu: »Steh auf, dass ich dich mit diesem Schwerte umbringe, wie du mein Kind umgebracht.« Als der Kaufmann die Worte des Geistes hörte, und ihn ansah, erschrak er und fürchtete sich sehr vor ihm: »Mein Herr! für welches Vergehen willst du mich umbringen?« Der Geist antwortete: »Ich will dich umbringen, wie du meinen Sohn umgebracht.« Der Kaufmann fragte: »Wer hat denn dieses getan? und der Geist antwortete: »Du«. Da sprach der Kaufmann: »Ich habe ihn bei Gott nicht umgebracht, wo, wann und wie soll ich ihn denn getötet haben?«

Da entgegnete der Geist: »Bist du nicht hier gesessen und hast Datteln aus deinem Sack genommen, die Datteln gegessen und die Kerne rechts und links geworfen?« »Es ist wahr, dieses habe ich getan,« antwortete der Kaufmann. »Nun,« versetzte der Geist, »auf diese Weise hast du meinen Sohn getötet; denn während du aßest und die Kerne wegwarfst, ging mein Sohn vorüber, es traf ihn ein Kern und tötete ihn. Und spricht nicht das Gesetz: wer tötet, soll wieder getötet werden?« Der Kaufmann sagte: »Ich gehöre Gott und wende mich zu ihm, es gibt keine Macht und keinen Schutz, außer beim erhabenen Gott; wenn ich wirklich dein Kind getötet habe, so habe ich es ungern getan, du solltest mir also wohl verzeihen.« Aber der Geist antwortete: »Keineswegs, du musst umgebracht werden!« Hierauf ergriff er ihn, streckte ihn auf den Boden hin, und hob das Schwert auf, ihn zu töten; da weinte der Kaufmann und schrie nach seiner Familie, seiner Frau und seinen Kindern, er glaubte schon zu sterben und vergoss so viele Tränen, dass seine Kleider davon nass wurden, und sagte: »Es gibt nur bei dem erhabenen Gott Macht und Schutz!« Hierauf sprach er folgende Verse:

»Die Zeit besteht aus zwei Tagen, der eine gewährt Sicherheit, der andere droht Gefahren; das Leben besteht aus zwei Teilen, der eine ist klar, der andere trübe; siehst du nicht, wenn Sturmwinde toben, wie sie nur die Gipfel der Bäume erschüttern? Wie manches Grüne und Dürre ist auf der Erde und doch wird nur das, was Früchte hat, mit Steinen geworfen. Im Himmel sind zahllose Sterne, und nur Sonne und Mond verlieren zuweilen ihr Licht. Du hast eine gute Meinung von den Tagen, wenn sie schön sind, und berechnest nicht, was das Schicksal noch bringt. Die Nächte haben dich in Ruhe gelassen, und du ließest dich durch sie täuschen; während die Nacht am klarsten scheint, kommt aber das Unglück herbei.«

Als der Kaufmann diese Verse gesprochen und sich satt geweint hatte, sagte der Geist abermals: Jetzt muss ich dich umbringen.« Da flehte der Kaufmann: »Kann es nicht anders sein?« »So muss es geschehen,« antwortete der Geist, und hob wieder das Schwert auf, um ihn zu töten. Hier bemerkte Schehersad den Tagesanbruch und erzählte nicht weiter; das Innere des Königs Scheherban glühte aber vor Verlangen nach der Fortsetzung der Erzählung. Als die Morgenröte schon angebrochen war, sagte Dinarsad ihrer Schwester Schehersad. »Bei Gott, wie schön, wie angenehm und wie wunderbar ist deine Erzählung!« Da antwortete sie: »Was ist dies alles im Vergleich zu dem, was ich in der nächsten Nacht erzählen werde, wenn mich mein Herr, der König leben lässt; es wird noch wunderbarer und überraschender sein.« Da sagte der Sultan: »Bei Gott, ich werde dich nicht umbringen lassen, bis ich das übrige der Erzählung gehört; erst nach der nächsten Nacht sollst du sterben!« Wie es nun ganz hell war und die Sonne zu leuchten anfing, stand der König auf und beschäftigte sich mit seinen Regierungsangelegenheiten.

Der Vezier, Schehersads Vater, war sehr erstaunt, als der König bis abends die Regierungsgeschäfte besorgte. Der König ging dann nach Hause, bestieg sein Lager, und Schehersad musste sich zu ihm verfügen. Nachdem dies geschehen, ruhten beide ein wenig, dann sagte Dinarsad ihrer Schwester Schehersad: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester, wenn du nicht schläfst, so teile uns wieder etwas von deinen schönen Erzählungen mit, dass wir die Zeit, in der wir doch nicht schlafen, angenehm zubringen.« Da sagte der Sultan: »Doch zuerst den Beschluss der Erzählung des Kaufmanns mit dem Geiste, denn sie gefällt mir;« und Schehersad sprach: »Es gereicht mir zum Vergnügen und zur Ehre, o glückseliger König« und fuhr also fort:

Man behauptet, o glückseliger und wohldenkender König! dass, als der Geist seine Hand mit dem Schwerte in die Höhe hob, der Kaufmann zu ihm sagte: »Nun, stolzer Geist, willst du mich denn durchaus töten?« »Gewiss,« erwiderte der Geist. Da sagte der Kaufmann: »Willst du mir nicht Zeit lassen, bis ich von meiner Familie, von meiner Frau und meinen Kindern Abschied genommen, bis ich mein Erbe unter ihnen verteilt und meinen letzten Willen ihnen bekannt gemacht habe? Wenn alles dies geschehen, will ich zu dir zurückkehren, und dann kannst du mich töten.« Der Geist antwortete hierauf: »Ich fürchte, wenn ich dich loslasse, dass du nicht mehr wiederkehren wirst.« Da sagte der Kaufmann: »Ich schwöre dir einen Eid und nehme den Herrn des Himmels und der Erde zum Zeugen, dass ich wieder zu dir kommen werde.« Nun sagte der Geist: »Wie lange Frist begehrst du?« »Ich fordere ein Jahr,« erwiderte der Kaufmann, »bis ich von meinen Kindern und meiner Familie Abschied genommen und mich von dem mir anvertrauten Gute befreit habe; zu Anfang des nächsten Jahres komme ich dann wieder.« Da fragte der Geist noch einmal: »Bürgt mir Gott für deine Wiederkehr?« »Gott bürgt dir für meine Worte,« antwortete der Kaufmann.

Als er nun so geschworen und ihn der Geist losgelassen, bestieg er sein Tier wieder, machte sich mit traurigem Herzen auf den Weg, und reiste in einem fort, bis er nach seiner Heimat kam. Als er seine Kinder und seine Frau sah, fing er an viele Tränen zu vergießen und höchst betrübt und niedergeschlagen zu werden. Seine Leute wunderten sich über ihn, und seine Frau fragte ihn, was ihm fehle und warum er so weine und so niedergeschlagen wäre, während sie sich doch alle über seine Ankunft freuten. »Wie soll ich nicht jammern,« antwortete er, »da ich nur noch ein Jahr und nicht mehr zu leben habe.« Hierauf erzählte er ihnen, was ihm auf der Reise mit dem Geiste widerfahren und wie er ihm geschworen, dass er nach einem Jahr wiederkehren werde, um sich von ihm töten zu lassen. Als sie dies vernahmen, weinten sie alle. Die Frau schlug sich ins Gesicht und riss sich die Haare aus, die Töchter stießen Jammergeschrei aus, und die Söhne groß und klein schrieen laut. Alles trauerte, die Kinder weinten den ganzen Tag um ihren Vater herum, und sie nahmen gegenseitig Abschied voneinander. Am folgenden Tage fing er an sein Erbteil unter ihnen zu verteilen und sein Testament zu machen; er machte sich auch von den Leuten frei, denen er etwas schuldig war, gab große Geschenke und Almosen, und nahm Leute an, die den Koran für ihn lesen mussten. Dann ließ er Zeugen und Gerichtsschreiber kommen, schenkte seinen Sklaven und Sklavinnen die Freiheit, gab den erwachsenen Kindern ihren Teil von seinem Vermögen, machte ein Testament für den Teil der Kleinen, gab seiner Frau, was ihr verschrieben war, und so war er beschäftigt, bis das Jahr abgelaufen und nur noch so viel davon übrig blieb, als er zur Reise brauchte. Nun schickte er sich zur Reise an, wusch sich, betete, nahm sein Totengewand und sagte seiner Frau und seinen Kindern Lebewohl. Diese schrieen und weinten alle zusammen, und auch er vergoss viele Tränen und sprach zu ihnen: »Bei meinem Haupt und bei meinen Augen, dies ist ein Beschluss Gottes, es ist sein Urteil und seine Bestimmung, der Mensch ist eben nur zum Tode geschaffen.« Jetzt nahm er zum letzten Male Abschied, bestieg sein Tier, reiste Tag und Nacht, bis er zu dem Garten gelangte. Es war gerade ein Jahr verstrichen. Er setzte sich an den Ort, wo er die Datteln gegessen, und erwartete mit traurigem Herzen und weinenden Augen den Geist. Während er so dasaß, kam ein alter Mann mit einer Gazelle an einer Kette auf ihn zu und grüßte ihn. Der Kaufmann erwiderte seinen Gruß und der Alte fragte ihn, was er hier tue an diesem Orte der Geister und Teufelskinder; denn dieser Garten ist von Dämonen bewohnt und es geht keinem gut, der darin verweilt. Der Kaufmann erzählte ihm seine ganze Geschichte mit dem Geiste von Anfang bis zu Ende. Der Alte wunderte sich sehr, wie er hörte, dass er hier seinen Tod erwarte, und sagte: »Du musst ein Mann von großer Redlichkeit sein.« Hierauf setzte er sich neben ihn und sprach: »Ich werde nicht von hier weichen, bis ich sehe, wie es dir mit dem Geiste gehen wird.« Sie blieben nun beisammen sitzen und unterhielten sich miteinander.

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Hier bemerkte Schehersad, dass der Tag nahe sei, und sie hörte auf zu erzählen. Ihre Schwester Dinarsad sagte zu ihr: »Wie schön und wunderbar ist deine Erzählung.« Aber Schehersad erwiderte: »Ich werde auch die nächste Nacht noch viel Schöneres und Wunderbareres erzählen, wenn mein Herr, der König, mich leben lässt.«

In der folgenden Nacht sprach Dinarsad zu ihrer Schwester: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns wieder eine von deinen schönen Erzählungen, dass wir die Nacht dabei durchwachen,« und der König setzte hinzu: »Vollende die Geschichte des Kaufmanns!« - »Es gereicht mir zum Vergnügen und zur Ehre,« erwiderte Schehersad und fuhr also fort:

Ich hörte, o glückseliger König, dass, während der Kaufmann mit dem Alten der Gazelle sich unterhielt, noch ein alter Mann mit zwei schwarzen wolfartigen Hündinnen dazu kam; er grüßte sie und die beiden erwiderten seinen Gruß; dann sagte er, was sie hier täten, und der Alte mit der Gazelle erzählte jenem die Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste, dem er geschworen, wieder zu kommen, und den er nun erwarte, um von ihm getötet zu werden. »Ich kam nur zufällig hierher,« setzte er hinzu, »aber ich schwor, nicht von hier zu weichen, bis ich sehe, was zwischen ihm und dem Geiste sich ereignen wird.« Als der Mann mit den Hündinnen dies hörte, wunderte er sich besonders darüber, dass der Kaufmann seinen Eid so treu gehalten, und sagte: »Auch ich kann diesen Ort nicht verlassen, bis ich weiß, was sich zwischen dem Kaufmann und dem Geiste zutragen wird.« Während sie so im Gespräch waren, kam noch ein alter Mann mit einem schlechten mageren Maultiere; nach gegenseitigem Gruße fragte dieser: »Was tut ihr hier und warum ist der Kaufmann so traurig und niedergeschlagen?« Die beiden Alten erzählten ihm nun die Geschichte und sagten ihm auch, dass sie hier warten wollten, um zu sehen, wie es ihm mit dem Geist ergehen werde. Als der Alte dies hörte, sagte er: »Auch ich, bei Gott, will nicht von hinnen weichen, bis ich sehe, was sich mit diesem Mann und dem Geiste ereignen wird; er setzte sich hierauf zu ihnen, und sie unterhielten sich eine kleine Weile. Da kam auf einmal ein großer Staub aus der Wüste hergezogen und der Geist erschien mit einem bloßen Schwerte von Stahl in der Hand und ging auf sie zu, ohne sie zu grüßen. Als er bei ihnen war, zog er den Kaufmann an der linken Hand in die Höhe und sprach: »Steh auf, dass ich dich töte!« Der Kaufmann weinte, und die drei Alten weinten auch und jammerten laut.

Hier bemerkte Schehersad den Tagesanbruch und schwieg. Dinarsad sprach zu ihr: »O wie schön und wundervoll ist deine Erzählung, meine Schwester.« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der folgenden Nacht erzählen werde, wenn mein Herr, der König, mich leben lässt; es wird noch weit wunderbarer, angenehmer und entzückender sein.« Das Herz des Königs entbrannte vor Verlangen, die weitere Erzählung zu hören, und beschloss bei sich: Bei Gott, ich lasse sie nicht umbringen, bis ich das Ende der Geschichte vernommen, und gehört habe, was aus dem Kaufmann geworden, dann erst will ich sie, nach meiner Gewohnheit, gleich den übrigen Frauen töten lassen. Er ging hierauf seinen Regierungsgeschäften nach und traf ihren Vater, den Vezier, der darüber sehr erstaunt war. Bis zur Nacht blieb er im Diwan, ging dann wieder in seinen Palast zurück, begab sich zu Bette, und nachdem er mit Schehersad eine Weile geschlafen, sprach Dinarsad: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns eine deiner schönen Erzählungen, damit wir den übrigen Teil der Nacht dabei durchwachen.« Jene sagte: »Es macht mir Vergnügen und Ehre,« und erzählte:

»Man behauptet, o glückseliger König, dass, als der Geist den Kaufmann töten wollte, der erste Alte mit der Gazelle auf jenen zuging und ihm Hände und Füße küsste, und also sprach: »O du Krone der Könige der Geister, wenn ich dir erzähle, was mir mit dieser Gazelle widerfahren, und du meine Erzählung noch wunderbarer findest, als das, was dir mit dem Kaufmann begegnet, wirst du mir zuliebe ihm ein Drittel seiner Schuld verzeihen?« »Recht gern,« entgegnete der Geist. Und der Alte erzählte: 

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Die Geschichte des ersten Greises mit der Gazelle

»Wisse, o Geist, dass diese Gazelle die Tochter meines Oheims ist; sie ist mein Blut und von Kindheit an meine Frau, denn sie war erst zehn Jahre alt, als ich sie heiratete, und ist folglich erst bei mir mannbar geworden. Ich lebte dreißig Jahre mit ihr, ohne mit einem Kinde beglückt zu werden; doch hatte ich während dieser ganzen Zeit ihr immer viel Gutes erzeigt und sie geehrt. Aber ich kaufte noch eine Sklavin, die mir einen Knaben gebar, schön wie der Mond. Jetzt wurde meine erste Frau eifersüchtig. Als mein Sohn zwölf Jahre alt war, musste ich eine Reise unternehmen; ich empfahl ihn meiner Frau aufs angelegentlichste, ihn und seine Mutter. Ein Jahr blieb ich aus. Während meiner Abwesenheit hatte meine Frau die Zauberkunst gelernt; sie nahm meinen Sohn und verzauberte ihn in ein Kalb, ließ meinen Hirten kommen und übergab ihm das Kalb und sagte: »Lass dieses Kalb mit den Stieren weiden.« Dann verzauberte sie die Mutter in eine Kuh und übergab sie ebenfalls den Hirten. Als ich nun bei der Rückkehr meine Frau nach dem Sohn und seiner Mutter fragte, sagte sie mir, die Mutter sei gestorben und der Sohn vor zwei Monaten davongelaufen; sie aber habe seither nichts mehr von ihm gehört.

Als ich diese Worte vernahm, entbrannte mein Herz über meinen Sohn und bekümmerte sich um die Mutter. Ich stellte ein ganzes Jahr Nachforschungen nach meinem Sohn an. Nun kam das große Fest Gottes, ich schickte zum Hirten hin und ließ ihm sagen, er möge mir eine fette Kuh bringen, damit ich das Fest feiern könne. Er brachte mir meine verzauberte Frau. Als ich sie nun binden ließ und sie schlachten wollte, weinte und seufzte sie: »Mbu! Mbu!« und die Tränen liefen ihr über die Wangen herunter: ich war darüber erstaunt, blieb gerührt vor ihr stehen und sagte dem Hirten: »Bringe mir eine andere.« Da sagte meines Oheims Tochter: »Schlachte nur diese, denn er hat keine bessere und keine fettere, wir wollen sie daher am Festtage verzehren.« Ich ging wieder auf sie zu, um sie zu schlachten, aber sie schrie wieder: »Mbu! Mbu!« Ich blieb vor ihr stehen und sagte hierauf zum Hirten: »Schlachte du sie, statt meiner.« Er schlachtete sie und zog ihr die Haut ab, aber er da fand er weder Fleisch noch Fett, es war nichts an ihr als Haut und Knochen. Ich bereute es, sie geschlachtet zu haben, und sagte zu dem Hirten: »Nimm du sie, oder gib sie wem du willst, und suche mir ein fettes Kalb heraus.« Er nahm die Kuh und ging fort; ich weiß nicht, was er mit ihr getan; dann kam er wieder und brachte mir meinen Sohn, die Seele meines Herzens, in des Gestalt eines fetten Kalbes. Als mein Sohn mich sah, zerriss er das Seil, das an seinem Kopf befestigt war, sprang auf mich zu und legte seinen Kopf auf meine Füße. Ich wunderte mich darüber, war gerührt und bemitleidete durch eine geheime göttliche Kraft mein eigenes Blut. Mein Innerstes kam in Bewegung, als ich die Tränen des Kalbes, meines Sohnes sah, wie sie über seine Wangen herabflossen und wie es dabei mit seinen Vorderfüßen die Erde scharrte; ich ließ es nun los und sprach zu dem Hirten: »Lass dieses Kalb bei der Herde und verpflege es gut und bring mir ein anderes!« Da schrie meines Oheims Tochter, diese Gazelle hier: »Schlachte kein anderes als dieses Kalb!« Ich erzürnte mich und sagte: »Ich habe dir schon gehorcht, als ich die Kuh schlachtete, und es hat nichts genützt, nun werde ich dir aber bei diesem Kalb kein Gehör geben und es nicht schlachten.« Sie drang aber in mich und sprach: »Dieses Kalb muss geschlachtet werden;« sie nahm dann ein Messer und ließ das Kalb binden.

Schehersad bemerkte nun den Tagesanbruch und hörte auf zu erzählen. Dinarsad sprach zu ihr: »O meine Schwester, wie schön und wunderbar ist deine Erzählung.« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der nächsten Nacht erzählen werde, wenn mein Herr, der König, mich leben lässt; es wird noch viel wunderbarer, angenehmer und entzückender sein.« Das Herz des Königs brannte vor Verlangen, die weitere Erzählung zu hören, und er beschloss bei sich: Bei Gott, ich lasse sie nicht umbringen, bis ich das Ende der Geschichte vernommen und gehört habe, was aus dem Kaufmann geworden; dann erst will ich sie nach meiner Gewohnheit, gleich den übrigen Frauen töten lassen. Er ging hierauf seinen Regierungsgeschäften nach und traf ihren Vater, den Vezier, der darüber sehr erstaunt war. Bis zur Nacht blieb er im Diwan, und dann ging er wieder in seinen Palast zurück, begab sich zu Bette, und nachdem er mit Schehersad eine Weile geschlafen, sprach Dinarsad: »Ich beschwör dich bei Gott, meine Schwester, wenn du nicht schläfst, so unterhalte mich mit einer deiner schönen Erzählungen, damit wir den übrigen Teil der Nacht dabei durchwachen.« Jene sagte: »Es macht mir Vergnügen und Ehre.« Da erwiderte Dinarsad: »Tu dies aber nicht, ehe dir unser König, Gott erhalte ihn lange! die Erlaubnis dazu gibt. Als hierauf der König sagte: »Erzähle!« da sprach Schehersad:

Ich habe vernommen, o glückseliger König, dass der Alte mit der Gazelle zu dem Geiste sagte: »Ich nahm ihr das Messer aus der Hand und wollte selbst mein Kind schlachten, da schluchzte und weinte es, legte seinen Kopf auf meine Füße, streckte die Zunge heraus, gleichsam um mir ein Zeichen zu geben. Ich aber wandte mich von ihm ab und ließ es los, denn mein Herz war zu gerührt. Hierauf sprach ich zu meiner Gemahlin: »Ich empfehle dir dieses Kalb, das ich eben losgelassen.« Sie gab sich zufrieden, als ich ihr versprach, es zum nächsten Feste zu schlachten, und sie willigte ein, jetzt ein anderes zu töten.« So verging diese Nacht. Am folgenden Morgen, als es hell geworden, kam der Hirte zu mir, ohne dass meine Frau etwas merkte, und sagte: »Mein Herr, ich habe dir eine gute Nachricht zu bringen, wirst du mir deshalb wohl ein Geschenk machen?« »Du sollst eines haben,« erwiderte ich; »erzähle nur!« Da sagte er wieder; »Ich habe eine Tochter, die zaubern kann und Beschwörungen gelernt hat; als ich gestern mit dem Kalbe, das du freigelassen, nach Hause kam, um es mit den anderen jungen Stieren weiden zu lassen, betrachtete meine Tochter dasselbe und weinte und lachte. Ich fragte sie: »Warum weinst und lachst du so?« Und sie antwortete mir: »Dieses Kalb ist der Sohn unseres Herrn, des Eigentümers dieses Viehes; er ist von der Gemahlin seines Vaters verzaubert worden, darum lache ich. Weinen muss ich über seine Mutter, die sein Vater geschlachtet hat.« Ich konnte kaum die Morgenröte erwarten, um dir diese gute Nachricht vom Leben deines Kindes zu bringen.« Als ich, o Geist, dies hörte, schrie ich laut auf und fiel in Ohnmacht. Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, ging ich mit dem Hirten in sein Haus, lief zu meinem Sohne, warf mich über ihn her, umarmte ihn und weinte. Er wandte seinen Kopf nach mir, aus seinen Augen flossen Tränen und er streckte seine Zunge heraus, gleichsam um mich auf seinen Zustand aufmerksam zu machen. Ich wendete mich hierauf zur Tochter des Hirten und sagte zu ihr: »Wenn du ihn wieder vom Zauber befreien kannst, so schenke ich dir mein Vieh und alles, was ich sonst besitze.« Sie beteuerte mir, dass sie weder nach meinem Vieh, noch nach meinem anderen Besitztum gelüste. »Nur unter zwei Bedingungen,« sprach sie, »will ich deinen Sohn befreien: Erstens musst du mich mit ihm verheiraten und zweitens musst du mir erlauben, die zu verzaubern, die ihn in diesen Zustand versetzt hat, denn sonst werde ich immer ihre Bosheit und ihre Ränke gegen ihn zu befürchten haben.« Ich erwiderte: »Ganz gut, ich gebe dir und meinem Sohne noch mein Vermögen obendrein; ebenso gebe ich dir volle Macht über die Tochter meines Oheims, die so gegen meinen Sohn gehandelt und mich überredet hat, seine Mutter zu schlachten; ich will sie dir bringen, du magst mit ihr verfahren, wie du willst.« Sie antwortete: »Ich will ihr nur das zu kosten geben, womit sie andere speiste.« Hierauf füllte sie eine Schüssel mit Wasser, sprach den Zauber darüber, beugte sich dann zu meinem Sohne und sagte: »O du Kalb, bist du ein Geschöpf des Allgewaltigen, Allmächtigen, so bleibe unverändert! bist du aber treulos verzaubert, so verlasse diese Gestalt und nimm mit Erlaubnis des Schöpfers der Welt wieder eine menschliche an!« Sie bespritzte ihn dann mit dem Wasser aus der Schüssel, und er ward wieder ein Mensch wie früher; es dauerte aber nicht lange, da fiel ich ohnmächtig auf ihn hin. Als ich wieder zu mir gekommen war, erzählte er, was die Tochter meines Oheims, diese Gazelle hier, ihm und seiner Mutter getan. Ich sagte ihm: »Nun, mein Sohn hat uns ein Wesen gesandt, das für dich, deine Mutter und mich an ihr Rache nehmen wird.« Hierauf verheiratete ich meinen Sohn mit der Tochter des Hirten, die schön war wie der Vollmond, dabei sehr geschickt, gelehrt und kenntnisreich, viele Dichter gelesen und Zauber und Schwarzkunst gelernt hatte. Sie verzauberte die Tochter meines Oheims hier in die Gestalt einer Gazelle und sagte: »Dir zu lieb habe ich sie in eine schöne Gestalt verzaubert, damit ihr Anblick dir nicht zum Abscheu werde.« Und sie blieb Jahre und Monate bei uns; dann starb die Frau meines Sohnes, die Tochter des Hirten, und mein Sohn reiste in das Land des jungen Mannes, mit dem dir dieses Abenteuer begegnet ist. Ich ging nun, meinen Sohn zu besuchen, und nahm die Tochter meines Oheims, diese Gazelle hier, mit mir, und so kam ich hierher zu euch. Dies ist meine Geschichte; ist sie nicht sonderbar und wundervoll?«

»Nun«, antwortete der Geist, »ich schenke dir den dritten Teil seiner Schuld.« Hierauf, o erhabener König, kam der zweite Alte, der mit den beiden schwarzen Hunden und sprach: auch ich will dir erzählen, was mir mit meinen Brüdern, diesen beiden schwarzen Hunden, widerfahren ist; du wirst sehen, dass meine Erzählung noch wunderbarer und unglaublicher als die dieses Mannes ist. Wirst du, wenn ich dir sie erzähle, mir auch einen Dritteil seiner Schuld schenken?« »Jawohl,« antwortete der Geist.

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Die Geschichte des zweiten Greises mit den beiden Hunden

Hierauf sprach der zweite Alte mit den beiden Hunden also: »Folgendes ist meine Geschichte, o Geist: Diese zwei Hunde sind meine zwei Brüder; wir waren, als unser Vater starb, drei Brüder; er hinterließ uns 3000 Dinare; ich eröffnete einen Laden und kaufte und verkaufte, ebenso meine Geschwister. Es dauerte nicht lange, da verkaufte mein ältester Bruder, einer dieser Hunde, alles, was er im Laden hatte, für 1000 Dinare, kaufte verschiedene Waren mit diesem Gelde ein und reiste weg; er blieb ein volles Jahr aus. Eines Tages, als ich in meinem Laden saß, stand er bettelnd vor mir; ich sagte: »Gott helfe dir!« Da sprach er weinend: »Kennst du mich nicht mehr?« Ich betrachtete ihn näher und sah, dass es mein Bruder war; ich hieß ihn willkommen, trat mit ihm in den Laden, fragte ihn, wie es ihm ginge, und er antwortete mir: »Frage mich nicht, denn es ist mir schlecht ergangen; alles Geld ist dahin.« Ich brachte ihn dann ins Bad, gab ihm eines meiner Kleider anzuziehen und nahm ihn zu mir. Als ich nun meine Rechnungen über mein Geschäft in Ordnung brachte und fand, dass mein Kapital von 1000 Dinaren sich verdoppelt hatte, so teilte ich es mit meinem Bruder und sagte ihm: »Nun denke dir, du seiest gar nicht abgereist gewesen.« Er nahm das Geld voller Freude und eröffnete wieder einen Laden. Ich lebte so viele Tage und Nächte; da ging mein zweiter Bruder, der andere Hund hier, verkaufte auch, was er hatte, sammelte sein Vermögen ein und wollte ebenfalls eine Reise machen. Wir rieten ihm ab; er bestand aber darauf, reiste mit einer Karawane fort und blieb ein volles Jahr aus; dann kam er in demselben Zustand wieder zu mir, wie sein älterer Bruder. Ich sagte ihm: »Wie, mein Bruder, habe ich dir nicht von deiner Reise abgeraten?« Er erwiderte weinend: »O mein Bruder, es war so meine Bestimmung; nun bin ich arm, ich besitze keinen Dirham, ich bin nackt und habe kein Hemd.« Ich nahm ihn dann, o Geist! mit mir ins Bad, gab ihm eins von meinen neuen Kleidern anzuziehen, ging mit ihm in meinen Laden, wo wir aßen und tranken. Hierauf sprach ich zu ihm: »Ich will nun, wie alljährlich, die Rechnungen schließen, und was ich gewonnen, will ich mit dir teilen.« Hierauf, o Geist, machte ich die Rechnung von meinem Geschäft und fand 2000 Dinare. Ich dankte dem erhabenen Schöpfer, gab 1000 Dinare meinem Bruder und behielt 1000 für mich, und mein Bruder eröffnete aufs neue einen Laden. So lebten wir einige Zeit, da kamen meine Brüder zu mir und wollten, dass ich mit ihnen reise; ich weigerte mich und sprach zu ihnen: »Was habt ihr bei euren Reisen gewonnen, so dass auch ich einen Gewinn erwarten könnte?« Ich gab ihnen kein Gehör, und wir blieben wieder in unseren Läden und handelten. Sie aber schlugen mir alle Jahre von neuem vor, mit ihnen zu reisen; ich wollte nie einwilligen, bis zum sechsten Jahre, da sagte ich zu ihnen: »Seht, meine Brüder, ich will wohl mit euch reisen, doch will ich zuerst sehen, was ihr an Vermögen habt.« Als ich suchte, fand ich nichts bei ihnen, denn sie hatten durch Essen, Trinken und allerlei Gelüste alles verschwendet. Ich sagte ihnen kein Wort, machte die Rechnung von dem, was ich an Geld und Waren im Laden hatte, und fand 6000 Dinare. Dies freute mich, und nachdem ich zwei Teile daraus gemacht, sagte ich zu beiden. »Hier sind 3000 Dinare für euch und für mich, dass wir damit handeln.« Ich vergrub dann die übrigen 3000 Dinare für den Fall, dass es mir ginge, wie es meinen Brüdern ergangen, damit ich wieder 3000 Dinare fände, um einen Laden eröffnen zu können. Es waren beide damit zufrieden; ich gab jedem 1000 Dinare und behielt 1000 für mich; wir kauften die nötigen Waren ein, bereiteten uns zur Reise vor, mieteten ein Schiff und reisten, auf Gott vertrauend, Tag und Nacht und Nacht und Tag.«

»Ich reiste nun einen Monat lang auf dem Meere mit meinen Brüdern, diesen beiden Hunden, da kamen wir vor eine große Stadt; wir gingen hinein, verkauften unsere Waren so gut, dass wir an einem Dinar zehn gewannen. Damit kauften wir andere Waren ein und wollten abreisen; da fand ich am Ufer des Meeres ein Mädchen mit zerrissenen Kleidern. Es küsste meine Hand und sagte: »Mein Herr, tu mir einen Gefallen, du wirst dafür belohnt werden, der Schöpfer wird mir wohl die Mittel verschaffen, dir deine Wohltat zu vergelten.« Ich sagte ihr: »Gut, ich will dir einen Gefallen erweisen, ohne dass du mich dafür zu belohnen brauchst.« Sie sprach hierauf: »Heirate mich und schenke mir Kleider und nimm mich mit als deine Frau; schon besitzest du mein Herz, sei daher wohltätig gegen mich, ich werde dich dafür belohnen, lass dich nur von meinem armseligen Zustand nicht abschrecken.« Als ich das hörte, bekam ich nach Gottes Eingebung Mitleid mit ihr, ich nahm sie mit aufs Schiff, machte ihr ein Lager zurecht und näherte mich ihr. Wir reisten Tag und Nacht; ich liebte sie immer mehr, denn sie war schön wie der Vollmond am Himmel; ich war stets um sie und vergaß durch sie meine beiden Brüder; diese Hunde, ganz. Sie aber waren neidisch und gönnten mir mein Glück nicht, auch waren sie nach meinem Vermögen und Wohlstand lüstern, daher sprachen sie davon, mich umzubringen, denn der Teufel hatte ihnen diese Tat schön vorgemalt. Als ich nun in einer Nacht mit meiner Frau fest schlief, nahmen sie uns beide und warfen uns ins Meer. Aber meine Frau verwandelte sich sofort in einen Geist und trug mich auf eine Insel. Als Gott Tag werden ließ, sprach sie zu mir: »Nun, mein Gatte, habe ich dich belohnt, indem ich dich vom Tode befreite. Wisse, dass ich zu den guten Genien gehöre, die alles im Namen Gottes tun. Als ich dich am Ufer des Meeres gesehen, liebte ich dich sogleich und ging zu dir in dem Zustande, wie du mich sahst, erklärte dir meine Liebe, und du nahmst mich auf; jetzt aber muss ich deine Brüder umbringen.« Als sie so zu mir sprach, war ich über ihre Handlungsweise sehr erstaunt; ich dankte ihr und bat, sie solle meine Brüder nicht umbringen, sonst würde auch ich sterben. Ich erzählte ihr hierauf alles was mir schon mit ihnen widerfahren war. Als sie meine Erzählung angehört, erzürnte sie sich heftig gegen sie und sagte: »Sogleich soll ihr Schiff untergehen, damit sie umkommen.« Ich bat sie bei Gott, dass sie dies nicht tun möge. »Es gibt einen Spruch,« sagte ich: »Vergelte Böses mit Gutem! Es sind ja doch meine Brüder!« Hierauf drang ich in sie und mäßigte ihren Zorn; sie hob mich in die Luft und flog mit mir so hoch, dass man uns nicht mehr sehen konnte; dann ließ sie mich auf das Dach meines Hauses nieder. Ich ging ins Haus hinunter, grub die 3000 Dinare aus der Erde und öffnete meinen Laden wieder. Als ich abends, nachdem mich alle Leute vom Markte gegrüßt, in mein Haus zurückkehrte, fand ich diese beiden Hunde dort angebunden. Als sie mich sahen, seufzten sie mir zu, hingen sich an mich und vergossen Tränen; ich erschrak darüber und wusste nicht, was vorgefallen; da kam meine Frau und sprach: »Mein Herr! hier sind deine Brüder.« Ich fragte sie, wer so mit ihnen verfahren. Sie antwortete: »ich habe es über sie verhängt, und erst in zehn Jahren werden sie frei werden.« Hierauf verließ sie mich, nachdem sie mir ihren Wohnort angegeben. Nun sind die zehn Jahre verstrichen, und ich machte mich mit ihnen auf den Weg, damit sie erlöst werden. Hier fand ich nun diesen Mann und diesen Greis mit der Gazelle; ich erkundigte mich nach dem Zustande des jungen Mannes, er erzählte mir, was ihm mit dir widerfahren, und ich beschloss, nicht von hinnen zu weichen, bis ich sehe, was unser Herr, der Geist, dem Manne tun wird. Dies ist meine Erzählung, ist sie nicht wunderbar?«

Da sprach der Geist: »Ich schenke dir das Dritteil seiner Schuld.«

Der dritte Greis trat nun hervor und sprach also: »O du Geist, mein Herr! du wirst mich wohl nicht betrüben und mir auch ein Dritteil seiner Schuld schenken, wenn ich dir meine Geschichte mit diesem Maultier erzählt haben werde, die noch wunderbarer und befremdender als die Geschichte dieser beiden ist.« »Erzähle,« versetzte der Geist und der Greis hub an: 

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Die Geschichte des dritten Greises mit dem Maultiere

»Höre, o Geist! diese Mauleselin war meine Gemahlin. Ich machte einst eine Reise und war ein volles Jahr von ihr weggeblieben. Nach vollendeten Geschäften kam ich in der Nacht wieder nach Hause zurück. Als ich ins Zimmer trat, fand ich einen schwarzen Sklaven bei ihr; sie unterhielten sich miteinander, warfen sich verliebte Blicke zu, scherzten und küssten und neckten einander. Als sie mich sah, kam sie mir mit einem Becher voll Wasser entgegen, sprach einige Worte darüber, besprengte mich damit und sagte: »Verlasse deine Gestalt und nimm die eines Hundes an.« Sogleich ward ich zum Hunde und sie jagte mich aus dem Hause. Ich lief in einem fort bis zu dem Laden eines Metzgers; dort fraß ich die Knochen, die unter seinem Tische lagen. Als der Metzger mich sah, nahm er mich zu sich, und als seine Tochter mich betrachtete, bedeckte sie ihr Gesicht vor mir und sagte zu ihrem Vater: »Was bringst du einen fremden Mann zu uns herein?« Ihr Vater antwortete: »Wo ist ein Mann?« »Diesen Hund,« antwortete sie, »hat seine Frau verzaubert; doch, ich kann ihn befreien.« Als ihr Vater dies hörte, sprach er zu ihr: »Bei Gott, meine Tochter! Befreie ihn, du wirst damit eine gute Tat ausüben.« Die Tochter des Metzgers stand nun auf, nahm einen Becher voll Wasser, murmelte etwas vor sich hin, bespritzte mich mit dem Wasser ein wenig und sagte dann zu mir: »Kehre wieder in deine frühere Gestalt zurück mit der Erlaubnis des erhabenen Gottes.« Als ich nun meine frühere Gestalt angenommen, küsste ich ihre Hände und sprach: »Ich beschwöre dich bei Gott, verzaubere meine Frau, so wie sie mich verzaubert hat.« Hierauf gab sie mir ein wenig von jenem Wasser und sagte: »Wenn sie schläft, so bespritze sie damit und sprich sie dann mit einem Namen an, welcher dir gefällt, sie wird die Gestalt annehmen, die du gewählt.« Ich nahm das Wasser, ging zu meiner Frau, fand sie tief schlafend, bespritzte sie mit dem Wasser und sagte dann: »Verlasse deine Gestalt und nimm die einer Mauleselin an!« Sogleich ward sie eine Mauleselin; und sie ist's, die du hier mit eigenen Augen siehst, o Sultan und Oberhaupt der Könige der Geister!« Der Greis fragte sie noch, ob dies nicht alles wahr sei. Sie nickte mit dem Kopfe und winkte ja. Dies ist die Erzählung von dem, was mir widerfahren.«

Der Geist verwunderte sich darüber, schüttelte sich vor Freude und sagte: Nun Greis, ich schenke dir das noch übrige Dritteil der Schuld dieses Mannes und lasse ihn völlig frei.«

Der Kaufmann ging hierauf zu den drei Greisen, dankte ihnen für ihre Güte, und sie wünschten ihm Glück zu seiner Rettung, nahmen Abschied von ihm und trennten sich. Jeder ging seines Weges; der Kaufmann kehrte in sein Land zurück, und seine Frau und Kinder freuten sich sehr, als sie ihn kommen sahen, und er lebte glücklich mit ihnen, bis ihn der Tod erreichte.

»Diese Erzählung,« sagte Schehersad, »ist jedoch nicht schöner und wunderbarer, als die des Fischers.« »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester!« sprach Dinarsad, »was ist dies für eine Erzählung?« Da begann jene:

Die Geschichte des Fischers mit dem Geiste 

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